Wermut

Wermut in den Alpen
Wermut in den Alpen

Da wo die Kräuter wachsen

 

Es ist ein wunderschöner Abend, die Sonne vergoldet die Berge und läßt das uralte Steinhäuschen meiner Freundin aufleuchten. Nach scheinbar endlosen Serpentinen, berauschenden Aussichten und kotzenden Kindern sind wir endlich angekommen. Mir ist schwindelig. Noch bis spät in die Nacht wird es sich in meinem Kopf drehen: Kurve links, Kurve rechts, links und wieder rechts......

Ich steige aus dem Auto und nehme ein paar tiefe Atemzüge. Die Abendluft ist geschwängert von einem aromatisch herben Duft. Köstlich!

Hier im Irgendwo der französischen Voralpen, nahe der italienischen Grenze riecht es nach Kräutern, es riecht nach Meer und Bergen.

Herzlich Willkommen in unserem Tal“ höre ich meine Freundin sagen. Umringt von Bergen schaue ich in den tiefen Abgrund an den sich ihr Häuschen schmiegt und muss schmunzeln.

Nicht lange und ich habe einen Mitspieler des abendlichen Duftkonzertes entdeckt. In dichten Büschen säumt hier der Wermut den Wegesrand. Ich bin beeindruckt. Sonne, trockene Erde und Mittelmeerluft scheinen ihm und einigen anderen Kräulein sichtlich gut zu tun. An den folgenden Tagen entdecke ich Lavendel, Salbei, Thymian und Bohenkraut – das ganze Gewürzregal in seiner natürlichen Umgebung. Ich bin entzückt und erstaunt als würde ich ein Tier entdecken, dass ich sonst nur aus dem Zoo kenne. Während sich die „Kleinen“ eher unauffällig an die Berghänge schmiegen, thront der Wermut direkt am Wegesrand und nahe der Menschen. Er glänzt ein bisschen in seinem silbernen Filzmantel der ihn gegen die Sonne schützt. Er steht auf kräftigen Stengeln und seine unscheinbaren Blütenköpfchen schauen still in den Abgrund.

Nein, für üppige Blütenpracht verschwendet der Wermut seine Kräfte nicht. Man braucht ihn nur einmal zu streicheln und sich danach die Finger abzulecken um zu schmecken, wofür er seine Wachstumskräfte benötigt. Der Wermut ist derart bitter, dass man ihn nur in Minimaldosen benutzen kann, ansonsten wird er ungenießbar.

 

 

 

Ich erinnere mich an eine Führung im botanischen Garten. Die Leiterin bat die Teilnehmer verschmitzt, doch einmal ein kleines Stückchen dieser Pflanze zu kosten. Die ersten Gesichtsentgleisungen ließen nicht lange auf sich warten und mancher spuckte entsetzt aus um diesen schrecklich, bitteren Geschmack schnell wieder loszuwerden.

Ich kannte den Trick: Man nimmt ein klitzekleines Blättchen, lutscht es und beginnt dann sanft darauf herumzukauen. So zähmt man diesen mächtigen Geschmacksverderber und entdeckt dabei das Aroma, das unter seiner Bitterkeit liegt. Da gibt es nämlich noch ätherische Öle und die umschmeicheln jetzt fast citrusartig meinen Gaumen.

Damals wie heute wird der Wermut als eine heilkräftige Pflanze geschätzt. Wie auch sein etwas umgänglicherer Bruder der Beifuss ist er eine erwärmende Pflanze, die „das kühle Becken“ anregt und die Menstruation zum Fließen bringen kann. Der innerliche Gebrauch gegen Würmer ist heute unüblich. Als stärkende Pflanze und anregendes Mittel für den gesamten Verdauungsapparat ist er jedoch heute noch sehr populär. Appetittlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen,Verstopfungen; kurz alle Beschwerden vom oberen Ein- bis zum untersten Ausgang, sind Indikationen für den Wermut. Für eine Teekur braucht man wirklich nicht viel, ein getrocknetes Sträußchen hält ewig. Ich persönlich liebe den leicht bitteren Geschmack von einem gut dosierten Tee. Wer es ausprobieren möchte, mische einfach eine klitzekleine Prise Wermut pro Tasse in seine normale Teemischung. Wem das immer noch zu bitter ist, der nimmt weniger. Unsere Geschmackssinne, die durch unsere heutige Kost meist verweichlicht sind, gewöhnen sich schnell an den bitteren, heilkräftigen Geschmack.

An Wermut als Küchengewürz hätte ich jedoch im Leben nicht gedacht. Die Franzosen allerdings, wie sollte es auch anders sein, haben auch für den Wermut eine kulinarische Idee: Ein kleines Sträußchen soll Fleischgerichte wunderbar würzen.

Ich habe es noch nicht gewagt, bitteres Schnitzel an einer Wermutsoße zu servieren. Aber auf die Dosis kommt es an und wem es gelingen sollte, der möge mir davon berichten.

 

Maria Moch

Heilpraktikerin & Kräuterpädagogin www.kräuterführung.de,