Ab jetzt!..Beginnt die echte Wurzelzeit. Das oberirdische Wachstum hat geendet,
alle Pflanzenteile, die zum überwintern nicht nötig oder gar hinderlich sind, sterben
ab und alle (Über)Lebenskraft steckt wie gesagt im Wurzelsaft. Von nun an bis in
das frühe Jahr, bis kurz vor dem Austrieb können wir sorgsam heilkräftige oder gar
essbare Wurzeln ernten. Wurzeln von Pflanzen, von denen wir entweder eine
ganze große Menge haben, oder die sich über unterirdische Ausläufer vermehren
und denen eine Ausgrabung überhaupt nichts ausmacht. Auf beides trifft der
Beinwell zu. Es ist nicht ganz einfach ihn im Herbst zu erkennen, denn wenn die
Wurzel reif ist, ist seine oberirdische Gestalt in der Regel nur noch ein braunes
Überbleibsel. Gut also, wenn man das ganze Jahr die Augen offen hält und sich
den Standort merkt.
Ich ziehe mit einer kleinen Gruppe Kräuterlinge in den novemberfeuchten Abend.
Jeder mit einer kleinen Schaufel in der Hand, sehen wir irgendwie abenteuerlich
aus. Am Rande einer Wiese werden wir fündig. Wir graben mit Händen und
Schippen vorsichtig und ehrfürchtig in der dunklen Erde. Jeder für sich. Wir bergen
schwarze, sandige Wurzelstückchen. Manche dick und wulstig, manche halten
glatte, kleine Nebenwurzeln in der Hand. Keine ist wie die andere. Es dämmert. Die
Löcher werden sorgsam wieder verschlossen. Ein Dank wird gemurmelt.
Eine Nacht ruhen die Wurzeln in ihrem Eimer, dann waschen wir vorsichtig die Erde
ab. Die schwarze, etwas schleimige Schale gehört zur Wurzel und sollte nicht
abgerubbelt werden.
Und nun kann es losgehen:
Die frischen Wurzelstückchen werden kleingeschnitten, das geht wie geschmiert, zu
Salbe weiterverarbeitet und zum Trocknen dicht am Ofen ausgelegt. Ein paar
Stücke werden zum Verbuddeln mit nach Hause genommen, denn der Beinwell
kann ohne Weiteres aus einem Stückchen Wurzel wieder austreiben. Am liebsten
hat er es ein bisschen feucht und nährstoffreich.
Zurück ins Haus: Wenn der zuvor so weiche Beinwell trocknet wird er im wahrsten
Sinne knochenhart. Und auch unsere Galerie aus den frisch gesammelten
Wurzelstückchen erinnert an einen archäologischen Knochenfund. „Bein“ steht in
seinem Namen für Gebein, was nichts anderes als Knochen heißt. Also eine
Knochenwurzel. Sie kann „Weiches“, “Kaputtes“ ganzmachen, indem sie die
Knochen anregt wieder zusammenzuwachsen. Bei allen Verletzungen der Knochen
und der dazugehörigen Strukturen benutzte man also von jeher die Beinwellwurzel.
Heute belegt man diese Wirkung mit einem hervorragenden Inhaltsstoff: dem
Alantoin. Dieses wirkt wundreinigend, indem es altes und krankes Gewebe zum
Abbau anregt und die Produktion neuer, frischer Zellen ankurbelt. Irgendwie
fantastisch. Aus alt mach neu? So können wir die Salbe auf Verletzungen des
Knochenapparates auftragen, vom leichten Stoß gegen das Schienbein, über
Verrenkungen, Stauchungen, nach Brüchen, um schlecht heilende Wunden oder
eitrige Pickel. Wenn die Wirkung der Salbe nicht ausreicht, nehme ich am liebsten
das Pulver aus den gertrockneten Wurzeln. Diese werden bei Bedarf in einer Mühle
pulverisiert und mit etwas Wasser angerührt. Nach einer Weile entsteht ein
schleimiger Brei, den man auf die schmerzhafte Stelle aufträgt und für ca eine
halbe Stunde ziehen lässt.
Rezept Beinwellsalbe
Die Wurzel zw. Herbst und Frühling graben, unter Wasser sauber putzen, abtrocknen und in feine Stücke schneiden.
1 Teil Wurzeln mit 2 Teilen Olivenöl übergießen und behutsam erhitzen.
Das Öl soll heiß sein, aber auf keinen Fall braten. Unter gelegentlichem Rühren 20-30 Minuten erhitzen. 20 min ruhen lassen und durch ein Tuch
abseihen. Den warmen Wurzelbrei aufbewahren und bei Bedarf noch am selben Tag als Umschlag anwenden.
Das Öl erneut auf den Herd setzen und Bienenwachsbrösel hinzugeben. 10 ml Öl = 1g Bienenwachs. Leicht erwärmen, bis sich das Bienenwachs auflöst. In
saubere Gläschen füllen und
beschriften.
Variante Deluxe: Anstatt eines einfachen Olivenöls, wird die Salbe mit Johanniskrautöl hergestellt.